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"Natürlich ist eine Kirche weiblich. Mütterlich. Und schön.

Meine Kirche ist erbaute Schönheit und umbaute Sehnsucht."

 

Pfarrer Thomas Perlick ist Oberpfarrer der Superintendentur Meiningen. Er schreibt Andachten und Bücher über den Glauben aus einer ganz ungewöhnlichen Sicht. Zum Konvent im August 2010 hielt er für die Pfarrer der Superintendentur Meiningen eine Andacht über seine Kirche in Römhild. Ich fand sie so erfrischend und ungewöhnlich, dass ich Sie allen Netzpilgern gerne vorstellen möchte. Oberpfarrer Perlick möchte ich ganz besonders dafür danken, dass er sie für diese WebSite zur Verfügung stellte.

Ich wünsche einem jeden von uns solch ein vertrautes Verhältnis zu "seiner Kirche"

 

Ihr Hans-Joachim Köhler

 

"Vor sieben Jahren habe ich mich unsterblich in diese Kirche verliebt. Die Leidenschaft wird hier noch wohnen, wenn ich längst gestorben bin. Das ist meine Kirche. Nicht weil sie mir gehört. Nichts ist hier mein eigen. Das ist meine Kirche, weil ich sie so lieb habe. Ich mag, wie das Licht durch die Fenster fällt. Ich mag, wie sich die Schatten bilden. Ich mag, wie der hohe Raum meinen Träumen Weite gibt. Ich mag, wenn die Gedanken der Menschen während meiner Predigt abschweifen und wie trunken herum torkeln. Sie suchen sich selbst den Weg ins gelobte Land.
Ach, und ich mag die Stille hier. Sie hat sieben Stimmen und einen Ton. Ich mag auch die fürstlichen Vorfahren, die hier in ihre Versteinerung erstarren mussten. Sie sind so schön tot. Sie haben ihre Zeit, so wie ich die meine und wir die unsere.
Natürlich ist eine Kirche weiblich. Mütterlich. Und schön. Meine Kirche ist erbaute Schönheit und umbaute Sehnsucht. Und Verzweiflung. Und Gnade. Und sinnlich, natürlich, auch das. Wer wagt es, über die Erotik eines Kirchenraumes zu sprechen? Über die knisternden Berührungen Gottes? Warum eigentlich nicht? Wie willst du glauben, wenn Gott dich nicht berührt hat? Wie willst du gerade den Schöpfer körperlos und lustleer lieben?
Und trotzdem, und dennoch: Manchmal kann ich sogar hier nur sehr schwer glauben. Dann staune ich halt ungläubig. Ich weiß nicht, wo Gott gerade fehlt, wenn er hier ist. Ich kenne Tage, an denen es ihn gar nicht gibt und Nächte, in denen er mir zu nah kommt. Dann besuche ich diese Kirche, die ich so lieb habe. Die Finsternis steht groß vor den Fenstern. Kirchen übernachten in ihrer eigenen Heiligkeit. Sie hüten den verzweifelten Tanz der Schattenkinder des Lebens.
Im Dunkel dieses Gotteshauses buchstabiere ich „Glauben“. Ich habe dann eine Ahnung von den Dingen, die ich nicht durchschauen kann. Ahnungen sind Stiefelknechte des Glaubens.
Wenn sich hier Konzerte ereignen, dann badet der Raum in Musik. Die Kirche wird zur Fähre, die über - holt in eine andere Welt. Die Orgel springt in Kaskaden von den Klippen und das Meer der verlorenen Träume rollt mächtig auf mich zu. Wenn hier große Chöre singen, dann klingt es nach Himmel auf Erden und die Fenster der Seele fliegen auf. Was ich dann sehe, wenn ich es höre, ist nicht mehr ganz von dieser Welt. Manchmal wandert die Abendsonne im Jubel der Musik wie ein Suchscheinwerfer über den mächtigen Hochaltar, von Johannes zu Christus über die Jünger und schließlich durch das Fensterglas wieder nach draußen. Die Finger der Sonne zeigen die klingende, singende Botschaft vom Licht.
Große Musik in einer Kirche, in die man sich verliebt hat - das ist wie Hochzeit. Wenn ich schließlich zurück taumele in den Aufschrei der Straße und das Stundenglas der Pflichten, dann tanzt meine Seele noch ein bisschen weiter und die Menschen wundern sich, warum ich so unverschämt leuchte.
Ich weiß, dass Gott hier nicht wohnt. Aber er hat einen Schlüssel zu diesem Haus. Und wenn ich Glück habe, dann  sitzt er wie ein kleiner Junge mit Baskenmütze auf den Stufen zum Chorraum und sagt: „Hallo, mein lieber Landgeistlicher! Wollen wir es heute mal wieder versuchen mit dem Vertrauen?“
Und dann erwidere ich, „Ja. Herr!“
Vor sieben Jahren habe ich mich in diese Kirche verliebt. Und es ist kein Ende damit. In Ewigkeit nicht. Amen. "

 

Thomas Perlick

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Hans-Joachim Köhler, Oberpfarrer i. R. | hansjoachimkoehler@msn.com